Mufasa

Wo fange ich an?

Vielleicht damit, warum ich das hier schreibe. Ich war heute im Kino. Wenn mich morgen jemand fragt: "Wie fandest du den Film?" Dann werde ich das Gesicht verziehen und traurig "Scheisse" sagen. Dann wird die andere Person mit hoher Wahrscheinlichkeit fragen "Warum?" und dann erwartet sie vermutlich eine kurze Zusammenfassung. Aber ich glaube nicht, dass es kurz geht. Deshalb schreibe ich es hier auf.

Ich fange mal ganz vorne an.

Wir haben Mufasa gesehen - eine Vorgeschichte zu "Der König der Löwen". Die Geschichte erzählt wie Mufasa zum König wurde und wie das Verhältnis zu seinem Bruder Scar sich entwickelt hat.

Schon bevor wir überhaupt ins Kino gingen, war ich skeptisch, weil ich mir nicht gut vorstellen konnte, wie Disney das gut erklären will. Ich meine... ich LIEBE König der Löwen. Es war und ist mein Lieblingsfilm. Wenn mir jemand erzählt, er kenne den Film nicht*, bin ich immer wieder schockiert, weil er einfach SO toll ist! ( * ist mir bisher nur zweimal passiert in meinem Leben ;))

Aber: Mir ist inzwischen als Erwachsene bewusst, dass einige Dinge in König der Löwen - sagen wir mal - nicht gut gealtert sind.

Eins davon ist das "Rechtssystem" - eine Monarchie. Scar hat vielleicht einen guten Grund, dass er die Alleinherrschaft eines einzelnen Löwen nicht gut findet. Er ersetzt es dann selber mit einer tyrannischen Diktatur und macht es damit im Prinzip genauso wie Mufasa. Aber das rechtfertigt in meinen Augen nicht Mufasas Alleinherrschaftsanspruch.

Punkt zwei: Die Geschichte von König der Löwen ist typisch Disney und verherrlicht eine monogame hetero Beziehung: Simba und Nala für immer und ewig.

Hab ich das geliebt als Kind? War "can you feel the love tonight" mein absolutes Lieblingslied? NATÜRLICH!

Möchte ich deswegen jetzt noch viele solcher Geschichten hören? Manchmal, aber eher selten. :) Es gibt auch SO viele andere tolle Geschichten über Liebe und Freundschaften.

Und zu guter Letzt mein größter Schmerz mit König der Löwen als Erwachsene: Scar. Ich mag Scar! Mochte ich ihn als Kind? Nope. Hab ich innerlich gejubelt als er vom Königsfelsen gestoßen wurde? Jupp. War ich froh, dass Simba unfehlbar ist und nicht er ihn getötet hat, sondern die "bösen" Hyänen? Hell yeah.

Aber als Erwachsene frage ich mich: Warum ist Scar überhaupt so böse? Niemand wird einfach so zum Löwenhitler. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass er vielleicht nicht so stark und kräftig war um ein Rudel anzuführen und deshalb ausgegrenzt oder aus einem Rudel vertrieben wurde. Das ist bei echten Löwen ja durchaus normal, dass "schwächere" Männchen vertrieben werden.

Oder vielleicht war Scar auch einfach pissig, dass er queer gecodet wurde. Wer weiß.

Anywaaay... das so zu meinem Hintergrund mit König der Löwen und der Frage: "Wie will Disney mir DAS im Jahr 2024 erklären?"

Die Antwort darauf ist der Film Mufasa und wie meine bessere Hälfte es so treffend ausgedrückt hat:

Das Drehbuch hat wahrscheinlich der Praktikant geschrieben.

Ab hier Spoilies. Falls du Mufasa selbst erleben möchtest, dann lies nicht weiter. ;)

Diese Messages hat der Film mir vermittelt:

König der Löwen Kanon können wir ignorieren

Es gab schon vor "Mufasa" Geschichten über die Zeit vor König der Löwen. Eine erzählt von Mufasas Großvater Mohatu. Und auch andere Geschichten wurden unter der Marke König der Löwen verkauft in denen Mufasa und Scar leibliche Brüder sind und Eltern haben. Das wurde mit diesem Film völlig außer acht gelassen.

Ist nicht unüblich. Aber als Fan darf ich darüber schimpfen. :)

Blut ist dicker als Wasser

Mufasa trifft am Ende vom Film endlich seine Mama wieder. Das ist schön. Ich freue mich für ihn. Aber über seine Adoptivmama Esche wird kein Wort mehr verloren.

Am Anfang des Filmes wird noch gezeigt wie es Scar ist einen Bruder zu haben und wie sehr er sich freut. Und dann kommt eine Löwin, Eifersucht, Scar macht einen großen Fehler und zack ist die Bruderliebe dahin.

Monogame Hetero Beziehung FTW

Natürlich verlieben sich Mufasa und Sarabi ohne Zwischenfälle. Das ist okay für die beiden. Ist wie gesagt nicht meine Lieblingsgeschichte, aber Geschmackssache.

Timon und Pumbaa sind die Publikumslieblinge und dürfen deswegen viel dazwischen reden. :)

Okay das ist keine Kritik. Der eine Kommentar mit der Rechtsabteilung war mir zu Meta, aber ansonsten waren ihre Seitenhiebe schon lustig. :)

Monarchie ist toll, wenn wir einen unfehlbaren Helden (=Mufasa) auf dem Thron haben

Das lasse ich mal so stehen. Ich persönlich wünsche mir 2024 Filme, die mich irgendwie auch berühren und mich ansprechen. Ich verstehe gut, dass es nicht möglich ist ein Prequel für König der Löwen zu schreiben ohne Monarchie zu thematisieren. Ich wüsste auch nicht wie ich das hätte machen sollen. Deshalb hätte ich persönlich viel lieber eine andere Geschichte im Löwenuniversum gehört.

Mufasa - der Held - ist unfehlbar

Er kann schnell rennen. Er ist mutig. Er kann gut kämpfen. Er achtet auf alle anderen. Er ist so gefühlvoll und mit der Natur im Einklang, dass er mehr wahrnimmt als andere Löwen. Er ist bescheiden und will den Thron zuerst nicht.

Er wird von allen angehimmelt: Seine Eltern lieben ihn. Rafiki liebt ihn wie einen Bruder. Kiara will so sein wie er. Scar liebt ihn wie einen Bruder und will vielleicht so sein wie er. Esche liebt ihn wie einen Sohn. Sogar Scars Vater akzeptiert Mufasa.

Der ganze Film will mir die "Heldenreise" von Mufasa verkaufen, aber ich kann das nicht fühlen.

Dabei ist Mufasa nicht perfekt:

Er lügt mehrmals um Scar besser dastehen zu lassen. Das mag nett gemeint sein, hilft aber weder Scar noch Mufasa und ist vor allem respektlos gegenüber Sarabi. Aber sie findet das nicht weiter schlimm. Sie liebt ihn halt einfach über alles...

Sobald Mufasa und Scar auf Sarabi treffen ist Scar ihm nicht mehr wichtig. Im Film wird so oft betont wie aufmerksam Mufasa sei. Aber den Frust seines Bruders bemerkt er überhaupt nicht?

Mufasa will zunächst den Thron nicht annehmen. Aber nachdem er seine leibliche Mutter wieder gefunden hat, ist es dann doch okay sich zum Herrscher des geweihten Landes zu erheben?

Scar macht einen Fehler, aber er rettet Mufasa auch vor dem großen weißen Löwen und kassiert dafür (natürlich) seine Narbe. Mufasa will ihn trotzdem nie wieder mit seinem Namen ansprechen. Wie grausam ist das denn bitte?

Mufasas Mut grenzt manchmal an Dummheit. Teils ist es Scar (Flucht vor den weißen Löwen), teils Sarabi (Elefantenherde), die ihn vor Dummheiten beschützen.

All diese Fehler werden im Film aber absolut nicht thematisiert. Das hätte den Film vielleicht vielschichtiger und interessanter gemacht. So wirkte es platt und wie eine Geschichte aus einer anderen Zeit.

Löwinnen sind Beiwerk

Man braucht sie halt in so einem Löwenrudel - oder als sehr sehr süße Riesenkatze für die Rahmenhandlung. Aber so richtig wichtig sind sie alle nicht. Die größte Rolle hat noch Esche, weil sie Mufasa aufzieht und ihm tolle "weibliche" Tugenden beibringt wie zum Beispiel zuhören.

Ansonsten spielen sie keine tragende Rolle und sind sehr auf die beiden männlichen Hauptlöwen fokussiert. Der Grund dafür ist natürlich, dass versucht wird Mufasas und Scars Geschichte zu erzählen. Kann man machen.

Gefällt mir halt nicht, weil gerade die Löwinnen in den Rudeln sehr enge und wichtige Bindungen haben und da vielleicht auch interessante Geschichten gelauert hätten.

Die "bösen" Löwen sind alle weiß

Punkt eins: Disney hat im Originalfilm so viel Wert darauf gelegt die Löwen möglichst naturgetreu wirken zu lassen. Ein Rudel Albinolöwen in XXL hat sich für mich furchtbar falsch angefühlt, denn Albino Tiere sind einfach selten.

Ja ich weiß, dass es nicht alles realistisch ist. Aber mir war das zu hart. Besonders auch wegen Punkt zwei...

Die "guten" Figuren sind jetzt bunt und divers, weil ja 2024 ist(?). Aber es gibt da diese eine, einfarbige Gruppe von Außenseitern, DIE sind böse.

Diese Erzählung ist uralt und ich brauch' sie nicht mehr.

Scar ist nicht queer sondern einfach selbstsüchtig. Isso.

Seine Eltern haben ihn beide auf ihre Art über alles geliebt. Aber das reicht einfach nicht aus.

Scar ist feige, selbstsüchtig und eifersüchtig. So eifersüchtig, dass er Mufasa hasst, weil Sarabi ihn wählt. Mit Sarabi redet niemand darüber, aber Löwinnen spielen ja wie gesagt keine tragende Rolle im Film.

Er ist auch neidisch auf Mufasa, weil dieser stärker ist und von allen geliebt wird, weil er so viele "maskuline" Fähigkeiten hat UND auch noch zuhört (manchmal).

Und all die Jahre, die Scar und Mufasa als Brüder aufgewachsen sind haben offensichtlich nicht ausgereicht in Scar eine so große Bruderliebe zu entwickeln, dass er anders damit umgehen kann als Mufasa zu hintergehen.

Ich komme da einfach nicht mit. Das ist mir zu wenig und ich verstehe den Twist nicht, warum Scar seinen Bruder – den er sich so sehr gewünscht hat – plötzlich so sehr hasst, dass er ihn letztendlich in König der Löwen tötet.

Fazit

Ich bin sehr traurig aus dem Kino gegangen. Ich war wie gesagt vorher skeptisch. Aber je mehr ich über darüber nachdenke, was der Film mir da präsentiert hat, desto trauriger wurde ich.

2024 wünsche ich mir einfach andere Filme. Und ich wüsste auch nicht, wie man es hätte anders machen können!

Vor allem bin ich traurig, weil ich sehr gern eine gute Erklärung für Scars Werdegang gehabt hätte. Wenn ich darüber nachdenke, dann kann das nur logisch funktionieren, wenn Mufasa ein wesentlich übler Charakter wäre. Das wollte Disney nicht. Deswegen funktioniert die Geschichte für mich einfach nicht.

Abgesehen davon, war die Geschichte einfach langweilig. Um das zu kaschieren hat der Film möglichst viele Referenzen aufs Original gemacht - von Musik über Erklärungen für Rafikis Stock und Königsfelsen bis zu Seitenhieben von Timon und Pumbaa. Das hat leider nur noch deutlicher gemacht das dem Film etwas fehlte.

Vielleicht bin ich nur ein alter Fan, die sich wünscht, man hätte es gelassen bevor man es schlecht macht.

Ich glaube damit kann ich leben.

Autorin: Friederike

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